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Dienstag, 14. Oktober 2014

Wie, du willst auch mit?

Tja also ich bin noch in El Villar, nicht in Karachi, und das wird auch den Rest der Woche so bleiben.

Angefangen damit, dass mein Profe Anibal mit halb Karachi ohne mich Freitagmorgen um 1000 Uhr gefahren ist, habe ich mich ja extra nachmittags nach meiner Mitfahrgelegenheit erkundigt. Da wurde mir mitgeteilt, ich könne Sonntagmorgens um 1000 Uhr mit Profe Primo fahren, so wie ich auch hergekommen war.

Beim Frühstück erfuhr ich von Doña Fanny, ich solle Profe Fortu fragen, ob ich bei ihm mitfahren könne. Gesagt, getan, und wie ich erwartet hatte, bekam ich die Antwort: „Oh, perdon, no, no hay campo, tienes que preguntar al Profe Primo.“ – Für mich ist kein Platz, ich muss Primo fragen. Kein Ding, war mir ja fast klar.

Als ich dann jedoch Primo fragte, erzählte der mir genau das gleiche: „Oh, perdon, no hay campo, tienes que preguntar al Profe Fortu.“ – Ehm. Gut.

Nachdem wir noch ein paar Mal hin und her gerannt waren und sich auch Gaston eingeschaltet hatte, kam raus, dass wirklich kein Platz für mich war. Ich solle jedoch erst mal noch bis nachmittags warten. Marie und ich öffneten dann nach dem Mittagessen den Spielesalon, ob ich dort wartete oder hier im Hostel machte ja keinen Unterschied.

Nun ja, und dann kamen Gaston und Primo und erzählten mir, ich müsse bis Villar Pampa laufen, dort nehme mich jemand mit. Allein wäre ich auch nicht, da käme noch jemand mit. Nach der ersten Info: „A las cuatro o cuatro y media el va a venir por la casa.“ – So gegen 1600/1630 Uhr käme er beim Hostel vorbei um mich zu holen, wurde kurz später erst mal noch 1530 Uhr.

Meine Sachen waren schon seit morgens um 900 Uhr gepackt, also für mich kein Problem. Ich verließ Marie, schickte Kalle zum Spielesalon und wartete.

Und wartete. Und wartete.

Es wurde 1600 Uhr, es wurde 1630 Uhr, es wurde 1700 Uhr. Und niemand kam um mich zu holen. Ich lief die Straße auf und ab, aber es sah nicht mal jemand danach aus, als würde er auch verreisen wollen. Ich wartete weiter und gegen kurz vor 1800 Uhr kamen Marie und Kalle wieder, da Marie angeblich um 1800 Uhr mit der Flota nach Sucre losmusste. Wir erfuhren in ihrer Angelegenheit, dass sich die Abfahrt der Flota auf unbestimmte Zeit verschiebe. Es gab Abendessen und somit waren wir zu zweit die warten mussten.

Marie fuhr dann um 2030 Uhr ungefähr, mir wurde gesagt, ich könne schlafen gehen. Montags sollte ich in die Schule gehen und arbeiten.

Debby wurde morgens auch sitzen gelassen und wir redeten mittags mit Don Gaston wegen dieser Sache. Er war ein bisschen aus dem Häuschen über die Dreistheit unserer Lehrer, uns einfach nicht mitzunehmen, und beschloss, dass wir die ganze Woche einfach hierbleiben und arbeiten sollten.

Für uns kein Problem, wir fühlten uns sowieso nach dieser Aktion nicht mehr so Willkommen in unseren Einsatzstellen, zumal das bei Debby nicht das erste Mal war.

Wir stellten uns also darauf ein, packten unsere Rucksäcke wieder aus, ich wusch meine Wäsche.

Abends gingen wir raus und auf einmal stand Nelson vor uns. Vollkommen außer Atem: „Antonia, komm, da ist wer beim Hostel und sucht dich, du gehst jetzt nach Karachi.“ – Es war ungefähr 2000 Uhr. Und ich war vollkommen geschockt.

Weiter erfuhren wir, dass Profe Anibal gekommen war um mich abzuholen.

Tja, leider gehöre ich zu den Menschen, die weinen müssen, wenn sie wütend sind, weshalb ich ziemlich schnell den Tränen ziemlich nah war.

Doña Fanny brachte Debby und mich zu Anibal, auf dem Weg trafen wir Tina. Bei uns um die Ecke begrüßten mich dann also Anibal, Yola, Primo, Doña Flora (die Internats-Tutorin) und ihr Mann: „Hola Antoni, ?vamos?“ – Ehm, ja.

Ich brachte raus, dass ich nicht darauf vorbereitet war, meine Wäsche noch nass war, wir dieses Wochenende nach Sucre wollen. Debby ergänzte, dass ich das ganze Wochenende warten musste und jetzt darauf eingestellt war hierzubleiben. Gaston kam zu uns und meinte, es wäre meine Entscheidung. Irgendwann zwischendurch brach ich in Tränen aus, was die ganze Situation irgendwie noch absurder machte. Fanny war die einzige, die dann den Durchblick noch bewahrte und sich dafür einsetzte, dass ich hierbleiben würde, weil diese Aktion irgendwie auch nicht sein könne. Sie war auch die Einzige, die verstand, dass das für meine kleinen deutschen Pünktlichkeits-Nerven ziemlich aufreibend war. Sie versuchte mich zu beruhigen, was ihr zum Glück auch gelang.

Das Ergebnis ist also nun: Ich bleibe diese Woche in El Villar, wir verbringen das Wochenende ganz entspannt in Sucre und am Sonntag muss ich den halben Weg (auf dem es mittlerweile Durchgang gibt) nach Karachi laufen, weil ich für die andere Hälfte eine Mitfahrgelegenheit habe. Und ich hoffe, ich werde nie wieder vergessen – aber nach Gastons Androhung, dass Karachi eben keine Freiwillige mehr bekommen würde, wenn sie mich nochmal vergessen, glaube ich nicht, dass das nochmal passiert.

Hier noch ein paar Bilder vom Spiele-Salon hier in El Villar. (Falls irgendjemand von den Ehemaligen das lesen sollte: Ihr habt super Arbeit geleistet, die Kinder sind so unfassbar glücklich über diesen Salon. – Und uns schwebt da noch eine Erweiterung vor, aber die bleibt vorerst mal unerwähnt, damit die Enttäuschung nicht so groß ist, falls es nicht klappen sollte.)



Miguel Angel (ein sehr beliebter Name hier), bei dem ich auch im Unterricht geholfen habe (Inicial).


Ja, albern bin ich hier immer noch.

Samstag, 11. Oktober 2014

Von durchgetanzten Nächten und betrunkenen Kindern

La Fiesta de la Virgen del Rosario in El Villar. Eine Fiesta, die eine ganze Woche dauert. Viel Kirche, viel Alkohol, viele Tänze und lange Nächte.

Samstag, der 04.10.2014
Für uns begann der Spaß am Samstag. Wir schauten übenden Tanzgruppen zu und fragten einfach gerade heraus ein paar Frauen, ob wir mittanzen könnten. Sie meinten, das wäre natürlich kein Problem und in den nächsten zwei Stunden lernten wir den Grundschritt von einem Tanz namens Morenada, und einige Figuren. Am Ende mussten wir Bescheid sagen, ob wir denn auch wirklich mittanzen wollten, denn dann müssten sie noch vier Kostüme mehr aus Sucre bestellen. Kurz überlegt und ja gesagt. „Perfecto, mañana a las seis vamos a aprender más.” – Morgen früh sechs Uhr wird geübt. Oh Gott. Aber Quatsch, abends waren wir noch sehr motiviert.

Sonntag, der 05.10.2014
Morgens um 600 Uhr sah das anders aus, aber wir machten uns trotzdem auf und übten. Nachmittags machten Marie und ich den Spielesalon für ein paar Stunden auf, und durften danach feststellen, dass unsere abendliche Übungsstunde spontan abgesagt worden war (Willkommen bolivianische Zuverlässigkeit). Doch natürlich wurde das Montagmorgens um 600 Uhr wieder nachgeholt.

Montag, der 06.10.2014
Unser Mariechen hatte Geburtstag, also wurde sie (und ich auch, da wir uns das Zimmer teilen) mit Kuchen geweckt – um kurz vor 600 Uhr, da wir ja zur Tanzprobe mussten. Leider war montags aber Schule, weshalb sie und Tina arbeiten mussten. Ich besuchte Marie später in der Schule und wurde auch gleich von der anderen Vorschul-Lehrerin entführt um zu arbeiten. Wir gingen dann noch auf die Plaza, wo verschiedene Stände mit traditionellem und gesundem Essen aufgebaut waren. Da Marie so gut wie alle Kinder kennt, konnten wir allerdings nicht ungestört rumschauen, sondern wurden alle drei Meter von irgendwelchen Kindern umgerannt, die „İMári, Mári, Mári!“ schrien (die deutsche Aussprache und Betonung ihres Namens fällt denen hier irgendwie schwer – danke, dass mein Name so schön international ist). Nachdem ich die letzten zwei Tage mit ihr auch im Spiele-Salon war, kannten mich aber auch schon einige, und so hatten wir beide Zwerge an uns hängen. Nachmittags hatten wir wieder Tanzprobe und abends begann endlich die Fiesta.

Marie, Tina, Debby, Felix und ich gingen zur Plaza und Felix wurde direkt von einem aus Roedeito abgefangen, der uns promt alle auf ein bisschen Bier, Canela (heißes Wasser mit Zimt und abends auch gerne mit Singani (Schnaps)) und Leche (heiße Milch mit Singani) einlud. Der nette Herr (namens Keime oder so) kannte mich auch noch von der Kermesse aus Karachi, auf der er glaube ich für Rodeito gekickt hat, und musste mir dann nach knapp 20 Minuten natürlich mal wieder sagen, wie schön ich denn wäre. Ich muss ehrlich sagen, langsam finde ich das manchmal unangenehm, dass man das so oft hört.

Es gesellten sich ein paar Jungs aus El Villar zu uns, mit denen Marie und ich dann neben den anderen unser eigenes Grüppchen bildeten. Wir unterhielten uns dann mit Franz (oh ja, er heißt wirklich so) und Eltan, zwei Jungs aus dem Colegio, die dort in die 6. Klasse gehen (also die Abschlussklasse), und Alex, von dem ich leider nicht weiß, in welche Klasse er geht, 7. oder 8. (nach deutschen Klassen) vielleicht. (Nur kurz dazu, es gibt hier die „Primaria“, von der 1. bis zur 6. Klasse und danach die „Secundaria“, in der es wieder sechs Stufen gibt, man kann also rechnen wie bei uns mit G8.)

Den ganzen Abend gab es Live-Musik und das halbe Dorf und alle anderen, die extra für die Fiesta gekommen waren, tanzten. Das Schöne hier ist, dass es Tänze gibt, die einfach getanzt werden, wie beispielsweise Chacarera, Cueca (oder so), Zapateo und noch viele mehr. Es gibt einen Grundschritt, der schnell gelernt ist und ein paar Figuren, die man macht, wenn man sich traut. Alle Tänze tanzt man als Paar, also hat man auch immer jemanden, der einem sagt was man jetzt machen muss, wenn zum Beispiel eine Drehung oder so etwas kommt.

Nachdem die erste Band, die ein bisschen langweilig war, also fertig war, wurden Marie und ich von Franz und Eltan zum Tanzen aufgefordert. Und da es schon die ganze Zeit unser Plan war, endlich mal zu tanzen, sagten wir gerne Ja. (Das gute an den beiden ist, dass sie ziemlich groß sind, bei Mariechen ist das ja eh kein Problem, aber ich bin ja recht groß, und Eltan ist der erste Bolivianer, der tatsächlich größer ist, als ich – ganze sechs Zentimeter.) Debby (mit Patio, dem Freund einer ehemaligen Freiwilligen), Tina und Felix tanzten auch, sodass wir alle zusammen waren. Und es hat so Spaß gemacht! Wir haben wirklich alles getanzt – und alles was wir noch nicht konnten auch gelernt (bis auf einen Tanz am Ende, als ich wirklich nicht mehr konnte). Wir waren von abends um 1930 Uhr bis um 230 Uhr bei der Plaza und bis auf ein paar Pausen die ganze Zeit am Tanzen. Danach wurden wir von den beiden Jungs noch zum Hostel gebracht – zwei richtige Caballeros.

Dienstag, der 07.10.2014
Tja, und dienstags wurde sich dann um 700 Uhr aus dem Bett gequält – Tanzprobe. Heute mit Kostümen. Dazu muss man sagen, für den Morenada gibt es zwei verschiedene Kostüm-Möglichkeiten, einmal gibt es sehr lange Röcke für ältere Frauen, man sieht dann aus wie eine richtige Cholita aus den Anden; und zum anderen gibt es für die jüngeren Generationen ziemlich kurze Röckchen, die schön schwingen. Wenn wir jemandem erzählten, wir würden Morenada tanzen, wurden die Augen der Bolivianer immer ziemlich groß: „Ohh, hmmm, oooh.“ – Aber nein, wir tanzten mit älteren Frauen: Wir bekamen einen sehr voluminösen Rock, der bis zu den Waden reicht, dazu drei bis vier Unterröcke, für oben eine Decke oder so und dazu einen Bowlerhut.

Und zwar so: Unser Komstüm.

Nachdem wir den Rest des Vormittags mit Plakat für die Entrada malen und Schlaf nachholen verbracht hatten, ging es um 1400 Uhr los mit der Entrada und der ersten Gruppe von Kindergarten-Kindern, die tanzten. Um kurz vor 1500 Uhr mussten wir dann aber leider los um uns umzuziehen, um 1700 Uhr waren wir dran. Unser Auftritt war ein Erfolg, die Leute waren begeistert. Super viele wollten Bilder mit uns weißen Cholitas machen, wir bekamen den lautesten Applaus und wenn wir uns mal vertanzten fand das niemand schlimm. Auch ohne unsere Kostüme wollten den ganzen Rest des Abends Leute noch Bilder mit uns machen und wir hörten ständig: „İBonitas han bailado!“ – Also wir hätten schön getanzt. Meine Profes waren auch ganz begeistert. Das einzige, was ich ein bisschen schade fand war, dass wir so den ganzen Rest vor uns verpasst haben, wo beispielsweise die Leute aus dem Colegio Chacarerca getanzt haben – aber Felix und Kalle sei Dank, sie haben Bilder und Videos gemacht, von uns und zwei anderen Grupen.

Die Entrada - wir tanzen durch die Straßen.

Ja, wir waren ein Foto-Highlight, wurden auch gerne (wie hier) während dem Tanzen rausgezogen für ein Foto.

Marie, Debby und ich.
Tja, und so sieht eine Bolivianerin in diesem Kostüm aus - passt irgendwie besser, finde ich, oder?
Nach dem Tanzen auf der Straße kommt noch ein Teil auf der Plaza.
Unser Hostel-Vater Don Gaston mit seinen vier "weißen Cholitas".
Ja, und hier sieht man nun die Tanzgruppe vor uns - Chacarera.
Die zwei Jungs hier vorne sind übrigens Franz und Eltan.
Und ich finde diese Kleider einfach wunderschön.
Ein anderer Teil der Tanzgruppe, gerade bei einem anderen Tanz - Cueca.

Die Praktikanten der Escuela tanzen auch - irgendeinen traditionellen Tanz aus Tarabuco, glaube ich.

 Diesen Abend tanzten wir nicht viel, da die ganze Nacht Zapateo kam und diese Musik und den dazugehörigen Tanz von uns niemand so wirklich mochte. Wir saßen dann auf der Plaza und quatschten mit den Jungs und ein paar Kindern – und machten eine ziemlich erschreckende Entdeckung.

Auf Fiestas fließt der Alkohol immer in Strömen, allerdings ist trinken erst ab 15 Jahren hier erlaubt. In Karachi wurde sich da, soweit ich es mitbekommen hab, auch dran gehalten, aber hier ist das irgendwie anders.

Nachdem sich ein paar aus den ersten Stufen der Secundaria bei uns versammelt hatten, war ziemlich schnell klar, dass einige von denen gut getrunken hatten. Doch richtig erschreckend wurde das ganze erst, als ein paar kleine Mädchen aus der Escuela (Primaria) kamen. Estefa, ein Mädchen von acht Jahren, war ziemlich sicher auch betrunken. Sie kam irgendwann zu uns, und versuchte erst mal, mich rücklings von der Mauer, auf der wir saßen, zu ziehen. Dann setzte sie sich neben mich und fing sie an Eltan grundlos zu schlagen und auch die anderen Jungs blieben nicht verschont. Mich kitzelte sie lediglich und erzählte mir seltsame Geschichten.

Ein Beispiel: „Eltan es un angel. Y ha caido del cielo, pero ahora esta muerto, porque un ha matado a el con un cuchillo. İAsi! “ – Also Eltan sei ein Engel, der vom Himmel gefallen ist, der aber jetzt tot ist, da er als er auf der Erde angekommen ist, mit einem Messer getötet wurde. Aha. Als sie „İAsi!“ rief zeigte sie uns, dass er anscheinend die Kehle durchgeschnitten bekommen habe. Außerdem hätte er seeeeeehr große Flügel gehabt. Ach und kurz darauf war er Pinocchio und die anderen Jungen auch. Einmal sprang sie auch auf meinen Schoß und begann auf einmal mich zu würgen, aus welchem Grund auch immer.

Wir fragten sie, ob sie was getrunken hätte und sie erzählte uns, sie hätte ein Becher Chicha und morgens ein bisschen Bier getrunken – mit acht Jahren. Na dann.

Schlafen gehen wollte sie partout nicht, also entschieden wir uns dafür einfach zu gehen und sie zu ihrer Mutter zu schicken. – Was dann glücklicher Weise auch funktionierte.

Mittwoch, der 08.10.2014
Am nächsten Morgen konnten wir endlich mal ausschlafen, man, war das ein Genuss! Gut, okay, wie immer ist bei mir ausschlafen relativ, ich war um 815 Uhr wach, aber das war trotzdem besser als 600 Uhr. Während des Vormittags wurde ein bisschen entspannt, geduscht, ausgeruht und nach dem Mittagessen ging die Fiesta weiter. Heute wurde das Ganze von den Lehrern organisiert. Ob das daran lag, dass angeblich „Tag des Lehrers“ war, weiß ich nicht, aber es war ganz cool. Es gab für alle kostenlos Picante (Reis, Kartoffeln, eigentlich noch Fleisch, für uns Vegetarier zum Glück nicht, und eine riiiiichtig scharfe Soße) zum Mittagessen, dazu für alle Chicha („Hace frío o hace calor, la chicha villareja es lo mejor.“). Gefeiert wurde in dem Haus eines Lehrers (ja, das ganze Dorf in einem Haus und Garten). Nachmittags standen Stierkämpfe an, die auch von den Lehrern organisiert wurden. Davor gab es ein paar Paraden hin und her durch das Dorf mit ziemlich schräger Musik von ein paar Schülern.

Bei den Stierkämpfen lief es eigentlich nur so ab, dass ein Stier gefangen wurde, ein bisschen von ein paar Betrunkenen geärgert wurde, die dann, wenn er sauer war schreiend vor ihm wegrannten und über den Zaun sprangen. Zeitweise war es ziemlich langweilig, nur wenn die Männer von Angst getrieben wegrannten konnte es durchaus ziemlich witzig werden. Dazu muss ich kurz sagen, dass es wirklich vollkommen anders war, als man von Stierkämpfen hört, den Stieren wurde nicht wehgetan oder so, sie wurden echt nur geärgert, sonst hätten wir (vier Vegetarier) uns das auch nicht angeschaut. Außerdem schauten wir eh nicht viel, sondern liefen meistens (in der Hoffnung, so den Chicha-Einladungen entgehen zu können) herum, oder standen bei Leuten, die wir kannten und unterhielten uns.

Was mir an diesem Mittwoch am besten gefallen hat war, dass so viele Leute da waren, es aber trotzdem noch ziemlich privat und familiär war, weil man fast alle kannte. Montags waren viele Leute einfach nur angereist, wegen den Auftritten und Tänzen und jetzt am Mittwoch waren eigentlich nur noch diejenigen da, die Familie in El Villar hatten. Dazu kamen sämtliche Lehrer aus dem Campo („von Land“, also aus Karachi, Muska, Rodeito, La Revuelta, El Dorado) und ein paar Kinder. Dadurch, dass ich auf dem Campo schon auf zwei Fiestas war und die einzige Freiwillige da bin (und Felix sich auf den Fiestas auch nicht oft hat blicken lassen), kennen mich eigentlich alle Lehrer und auch ziemlich viele andere. Man läuft also rum und ständig geht es: „İHola Antonia, hola Antoni! ?Cómo estas?“ Und das find ich eigentlich ganz cool, so viele Leute zu kennen.

Bevor sie sich trauen, den Stier so zu ärgern wird er erst mal angebunden. Der mit grüner Hose und roter Jacke ist Alex, der in blau mit Hut ist mein Profe Primo.
Ja, auch mal ein Bild von mir. Franz hat es gemacht, ist eher spontan entstanden, das um meine Schultern ist ein Tuch, dass die Leute bekommen, die mit den Stieren kämpfen - ich hab es allerdings geschenkt bekommen.

Profe Primo im "Ring" beim Mut antrinken - naja, einfach beim Saufen, den Becher hat er recht schnell verloren.
Nach den Stierkämpfen ging es abends wieder mit Musik und Tanz weiter, auch im Garten des Profes. Das war auch sehr schön gemütlich. Allerdings hatten wir im Gegensatz zu Montag ein kleines Männerproblem, da Franz irgendwie nicht tanzen wollte, Felix weg war, Patio (mit dem Debby ja am Montag getanzt hatte) auch nicht da war, also irgendwie für vier Mädchen nur Eltan da war. Mehr schlecht als recht konnten wir dann doch alle tanzen, weil Tina von einem Betrunkenen aufgefordert wurde, Debby mit einem ihrer Profes tanzte (auch betrunken), Marie mit einem ihrer Verehrer (Leonides) und ich dann mit Eltan. Es hat dann doch ziemlich Spaß gemacht – und war sau anstrengend. Aber nach der Pause hatte wieder niemand so wirklich einen Partner, weil die Mädels ganz froh waren, ihre Betrunkenen losgeworden zu sein. Franz kam dann doch dazu und wir tanzten ein bisschen in der Gruppe, was sich auch als ganz witzig rausstellte, alle im Kreis, jeder der beiden Jungs mit zwei Mädchen an der Hand.

Später gingen wir dann eine Cola trinken und liefen etwas durch El Villar, weil die Musik auf der Party uns nicht mehr so gut gefiel und wir außerdem ein Refrésco ohne Alkohol wollten. Gegen 100 Uhr waren wir dann aber auch wieder in unseren Bettchen.

Donnerstag, der 09.10.2014
Donnerstagmorgens war das Dorf leer. Zum einen war Schule und zum anderen mussten wahrscheinlich noch viele ihren Rausch ausschlafen. Außerdem reisten jetzt viele der noch Übriggebliebenen ab.

Nachmittags gab es wieder Stierkämpfe, die wir aber ziemlich langweilig fanden. Wir liefen ein bisschen durch das Dorf, was auch nicht spannender war, und landeten wieder bei den Stierkämpfen. Nach dem Abendessen war Fútsal und Musik und Tanz auf der Plaza, wo wir hingingen. Beim Fútsal zuzuschauen machte Spaß, vor allem, als die spielten, die wir kannten (Nelson, der argentinische Freiwillige hier in El Villar und Eltan spielten zusammen in ihrer Mannschaft – verloren aber leider).

Danach begaben wir uns auf die Plaza, die allerdings ziemlich leer war. Am Anfang gefiel uns auch die Musik nicht wirklich, erst als am Ende wieder nur noch Marie, Eltan und ich übrig waren kam für uns tanzbare Musik. Marie tanzte wieder mit einem ihrer Verehrer (diesmal Gualbero) und wir hatten ziemlich viel Spaß.

Freitag, der 10.10.2014
Freitagmorgens durfte ich feststellen, dass die Besucher aus Karachimayu gemeinsam mit Profe Anibal schon um 1000 Uhr abreisten – ohne mich und ohne mir etwas zu sagen, und ich nun wohl hoffen musste, dass Profe Primo wieder erst wann anders fährt. Mittags gab es erneut Stierkämpfe und abends wieder Musik und Tanz, allerdings privat bei einer Familie, wo wir uns entschlossen nicht hinzugehen. Stattdessen verbrachten wir den Abend wieder mit Franz und Eltan und diesmal noch einem weiteren, namens Alvero, und liefen durch das Dorf.

Einer der Bullen, die schon im "Ring" waren.
Nun ja, und jetzt ist die Fiesta vorbei, ich muss packen und morgen geht es mit Primo und den anderen, die wirklich noch da sind, wieder zurück nach Karachimayu.

Sonntag, 5. Oktober 2014

No Hay Paso – auf dem Weg nach El Villar

Nachdem es mehrere Tage einiges an Durcheinander gab über die Frage, wie wir nach El Villar kommen würden („Wir fahren Freitag.“ „Ach ne, doch Samstag um 700 Uhr früh.“ „Ne, Moment mal, vielleicht auch nachmittags, wenn wir den direkten Weg nehmen können.“ „Ach, wir fahren Sonntag.“), hatten wir am Freitag das Ergebnis. Profe Primo und Profe Fortu würden Freitagnachmittag schon vorfahren, den direkten Weg, an dem derzeit gearbeitet wird nehmen und dann anrufen, ob der Weg nutzbar ist für Profe Anibal, der Sonntags fahren will.

Da ich mich schon die ganze Woche gefreut hatte, freitags in El Villar zu sein, klinkte ich mich bei Primo und seiner Familie ein, die auch unseren Direktor Profe José und einen Profe aus Rodeito mitnahmen. Nachdem ich mit meinem Rucksack in Rucksackschutz ankam (der auch sehr schwer war), waren meine Lehrer ziemlich geschockt und meinten, so könne ich nicht reisen, wir müssten ein Stückchen laufen. Klein Toni hat die Vorstellung von einem Fluss, den sie zu Fuß durchqueren müssen oder Ähnlichem. Also wird ein bisschen was ausgepackt, die Hülle weggelassen, der Rucksack aufgesetzt und demonstriert, dass ich so laufen kann.

Dann geht die Reise los. Wir nehmen noch ein paar Schüler mit, die in der Nachbar-Comunidiad leben (Muska) und hinten auf dem Pick-Up (wird hier auch Camioneta genannt) wird es ziemlich eng. Nach einer Stunde halten wir und das Auto wird ausgeladen. „Antonia, setz dich, wir ruhen kurz aus und stellen das Auto ab, ab hier laufen wir.“ – Okay, ja gut. Bevor sie das Auto abstellen, werkeln sie allerdings noch ein wenig daran rum, da irgendetwas an der Kupplung kaputt zu sein scheint. Als ich mich jedoch nicht hinsetze und ausruhe, fängt Romario, der Sohn von Primo und Carmen an: „Profe, setz dich, wir müssen nachher ganz lange laufen, echt.“ – „Ah ja, wie lange denn?“ – „Naja, schon so bis 1800 Uhr.“ – Blick auf die Uhr: „Oh, wir laufen eineinhalb Stunden?“ – „Jap, ungefähr.“ – Oh, äh, das wusste ich nicht.

Als wir losgingen trafen dann auch Fortu, Nati und ihr Sohn Evik zu uns, das Gepäck wurde aufgeteilt und los ging es. Wir liefen tatsächlich eineinhalb Stunden, allerdings gingen wir erst später los, weshalb wir nicht um 1800 Uhr ankamen. Wobei ankamen auch relativ ist.

Der Weg war atemberaubend. Ich finde ja sowieso schon, dass es bei uns in Karachimayu und Umgebung ein bisschen nach Urwald aussieht, aber auf der Reise, war der Ausblick noch – hm – grüner. Teilweise sah es so aus, wie ich mir Irland vorstelle: Grün und hügelig. Und dann kam wieder eine Stelle mit so viel Wald, dass ich damit rechnete, King Kong käme hinter dem nächsten Berg hervor, und teilweise sah es aus wie Zuhause. Und dann, dann kam die Garnitzen-Klamm (oder so, Mama und Papa, ihr wisst was ich meine) nur nicht in hellblau-rosa, sondern hellgrün-beige. Also, nur für alle, die diesen wunderschönen Fleck Erde nicht kennen, die Garnitzen-Klamm ist eine wunderschöne Schlucht in Kärnten, riesige Felsen und ein Bach, der mitten durchfließt. Und unser Fluss, der durch Karachi fließt, hat uns auf dem ganzen Weg begleitet, und irgendwann waren wir eben in einer Schlucht. Es war wunderschön.

Auf unserem Weg gab es nur zwei Stellen, wegen denen wir laufen mussten, zwei Stellen, an denen die Straße noch nicht fertig war. Und die hatten es in sich. Die erste war recht harmlos, da mussten wir einfach nur ein bisschen klettern und im Sand rutschen, dann waren wir unten, aber bei der zweiten Stelle hatte ich schon ein klein wenig dolle Angst. Wir liefen direkt an der Schlucht entlang und mussten durch Sandhaufen. Und mit direkt meine ich auch direkt, zwischen Sandhaufen und Schlucht war kein Platz, das ging ineinander über. Die Männer liefen vor und traten Schritte für uns, nur leider waren meine Füße größer und es war ein bisschen als würde ich als erste laufen. Es war gut rutschig und ich hielt fast die ganze Zeit meine Luft an, den Blick starr nach vorne gerichtet, nur nicht den Steinen hinterherschauen, die gerade hundert Meter in die Tiefe stürzen. Erschwert wurde für mich das ganze Unterfangen noch, da ich eine Henne in einem Beutel mit mir trug und die natürlich auch nicht fallen lassen wollte, mich aber so auch nur mit einer Hand festhalten konnte.

Nach unseren eineinhalb Stunden laufen sind wir, naja, angekommen an einer Stelle, wo wieder Autos fahren konnten. Dort warteten wir wieder, alle deutlich erledigt von der letzten, echt gefährlichen Etappe. Ein Verwandter von Primo holte uns schließlich ab. Auch wieder mit einem Pick-up, nur, dass dieses Mal noch mehr Leute reinmussten. Also saßen wir die letzte Stunde zu acht hinten drauf, und ungefähr acht vorne drin.


Und gegen 1930 Uhr waren wir in El Villar. Endlich.

Beschilderung am Anfang des Weges, danach ging es noch eine halbe Stunde weiter und dann ging nichts mehr mit Camioneta.

Mein Rucksack im Einsatz.

Meine Henne in Tüte.

Rückblick auf ein Teil des Weges in der Schlucht.

Der Fluss - die Garnitzen-Klamm in grün-beige.