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Sonntag, 30. November 2014

Abschiednehmen

Ja, es heißt Abschiednehmen. Die Ferien beginnen und unsere erste Arbeitsphase endet. Und für Debby und mich endet damit auch unsere Zeit in unserem Außendörfern.

Also Abschiednehmen von Kindern, Leuten, Familien, der Schule, dem Ort.

Es ist ein komisches Gefühl, vor allem, weil es keinen passenden Moment gibt. Es gibt keinen richtigen letzten Schultag, an dem danach alle gehen. Es gab einen letzten Unterrichtstag, aber danach gab es noch die „Clausura“, den Tag, an dem die Zeugnisse ausgeteilt wurden, der aber ein offenes Ende hatte. Und außerdem war ich nach diesem Tag noch zwei Tage in Karachi, beziehungsweise mit Leuten aus Karachi unterwegs.

Trotzdem war es ein komisches Gefühl, zu gehen.

Zwar hatte ich in den letzten Wochen viele Zweifel und schlechte Tage, sowohl in Karachimayu als auch hier. Hatte meistens keine Lust auf die Reise, die ja wirklich immer ein Abenteuer ist, was auf die Dauer einfach nur nervt. (Auf gut Glück um 500 Uhr los und dann zwei Stunden laufen, weil es keinen „paso“ gibt, auf eine Mobilidad warten, die nicht kommt, sich auf die Lehrer verlassen, die aber dann doch zwei Stunden früher ohne einen fahren, oder mit den Lehrern Sonntagabends fahren und dann weder Abendessen, noch Frühstück bekommen.)

Ich hatte auch großes Heimweh, dass mich in Karachimayu manchmal fast aufgefressen hatte, weshalb ich fast jedes Wochenende der letzten Wochen nach El Villar floh, denn hier, mit den anderen Freiwilligen, war das Heimweh auszuhalten.

Und eine Weile fühlte ich mich dort auch einfach nicht gewollt. (Hier kennen die Kinder die Freiwilligen vor allem aus dem geliebten Spielesalon, weshalb auch die Freiwilligen geliebt werden. Immer, wenn ich dann die letzten Wochen hier ankam, wurde ich schon ab Ortseingang jubelnd von Kindern begrüßt. In Karachimayu bin ich ausschließlich Lehrerin, werde dort auch eher nur „Profe“ genannt, als „Antonia“, es ist also eine gewisse Distanz da, und außerdem sind die Kinder einfach zurückhaltender. Und mit dem Kontrast, den ich dann so hatte, habe ich mich in Karachimayu ein bisschen „ungeliebt“ gefühlt.)

Aber vor allem meine zwei letzten Wochen waren super. Statt zu warten, dass einem Arbeit, Beschäftigung und Liebe hinterhergeworfen werden, muss man sich in Karachimayu eben ein bisschen mehr selbst engagieren. Ich hab ziemlich viel Zeit im Internat verbracht, dort bei allem Möglichen geholfen, mit den Kindern gespielt, allen meine Hilfe angeboten, die dann auch gerne angenommen wurde, schrieb für die Profes Sachen am Computer, wurde zum Dank zum Essen eingeladen, half Doña Leonarda beim Putzen und beim „Refrescos“ (Erfrischungsgetrünke) für die „Exposiciones“ Zubereiten und Verkaufen, half bei den Vorbereitungen für die „Clausura“.
Und so kam es, dass mir am Ende niemand erlauben wollte zu gehen. Von allen Seiten wurde mir gesagt, ich solle bleiben, die Kinder schauten mich verständnislos an, als ich ihnen mitteilte, dass ich gehen würde und nach den Ferien eine andere Freiwillige kommen würde. Und ich wollte nicht gehen. Aber irgendwie auch doch.

Ich war ein bisschen zerrissen. Wollte nach El Villar, wollte nicht nach El Villar, wollte aus Karachi weg, wollte in Karachi bleiben.

Und am Sonntag um 500 Uhr in der Früh fuhren wir los. Ich war den Tränen so nah, aber da die Reise wieder ein Abenteuer wurde, konnte ich mich beherrschen. Wir fuhren mit der Dämmerung los und erlebten einen wirklich wunderschönen Sonnenaufgang in der Natur Karachimayus, die sowieso immer wieder atemberaubend ist.

In Muska, unserer Nachbar-„Communidad“ (Gemeinde), mussten wir feststellen, dass an dem Pick-Up von Profe Fortu irgendetwas mit dem Öl nicht stimmte, und er, seine Frau Profe Natty (die ich immer Nati geschrieben hat, die sich selbst aber so schreibt) und ihr Sohn Evik stiegen zu uns in die Camioneta von den Profes Anibal und Yola. Damit waren wir 20 Leute in der Camioneta. Profe Primo fuhr mit seinem Pick-Up, der auch gut gefüllt war, voraus. An der Baustelle, der altgewohnten Lieblingsstelle, gab es zwar „paso“, allerdings ist der Weg sehr sandig, sodass Primo mit seinem Pick-Up stecken blieb und den Berg hochgeschoben werden musste. Oben angekommen war Anibal der Meinung, seine Camioneta (die ja ein kleiner LKW ist und somit größer und schwerer ist, als der Pick-Up von Primo, und die außerdem voll war mit Kartoffel-Säcken) würde den Weg dort hoch nicht schaffen. Wir 20 Leute nahmen also unser Gepäck und liefen durch die Baustelle. Wir trafen die „Ambulancia“ (Krankenwagen-Pick-Up) aus La Revuelta, die uns sagten, dass es eine neue hässliche Stelle gab, und die anbot, die Leute und ihr Gepäck dort hin zu fahren. Primo bot an, seine Leute nach El Villar zu fahren und dann umzudrehen um den Rest zu holen. – Die Aussage der Ambulancia verstand ich nur zunächst nicht und lief mit zwei Männern aus Karachi los. Mein Plan war nicht, den ganzen Weg zu laufen, sondern eigentlich einfach nur, im Schatten zu warten. Naja, wir liefen dann aber weiter. Und weiter und weiter und weiter. Die Ambulancia und alle Leute, die in der Sonne gewartet hatten fuhren auf einmal an uns vorbei (eben zu dieser „hässlichen Stelle“) und ich war verwirrt, lief aber mit Don Filimon weiter. Nach einer Stunde kamen wir dann an der „hässlichen Stelle“ an und trafen dort auf die anderen. Wir warteten auf Primo und stopften uns dann in seinen Pick-Up. Mit ihm saßen vorne drin sechs Leute und wir hinten drauf waren zu zehnt. Aber es ging.

Und dann kamen wir nach vier Stunden Reise in El Villar an. Ich winkte kurz „Ciao“, sagte Danke und ging ein bisschen kaputt ins Hostel.

Dort traf ich auf Kalle. Unseren lieben Selbstzahler, den wir am selben Tag auch verabschieden würden.

Ich war vollkommen neben der Spur, müde und traurig. Nach dem Frühstück gingen Marie und ich Raquet (wie Squash) spielen, danach lief ich mit Kalle durch den Ort, er musste noch etwas suchen, und nach dem Mittagessen, um 1400 Uhr, brachten wir ihn zur Flota.


Nachmittags unternahmen wir nicht wirklich was. Ich persönlich hatte auch einfach keinen Antrieb, war bedrückt, wollte mich verkriechen. Es war ein komischer Tag, Abschiednehmen ist schwer.

Samstag, 29. November 2014

La Clausura

Tja, dieses Wort war schon seit einiger Zeit ein Phänomen in jeder Lehrer-„Reunion“ (Konferenz). Zunächst ging es um das Datum, ob Montag, Sonntag oder Freitag, und um die Frage, wie man an „Diplomas“ kommen solle. Das waren anscheinend Auszeichnungen für die Klassenbesten.

Danach ging es um die „Libretas“, die sich irgendwann als Zeugnisse herausstellten. Der Direktor musste irgendwo hin und sie abholen, es gab viele, sie waren besonders, man durfte beim Ausfüllen keine Fehler machen – und zum Ausfüllen wurde ein Tag schulfrei angeordnet.

Form nahm das Ganze in der letzten Schulwoche an. Montags wurde beschlossen, dass die „Clausura“ freitags stattfinden sollte, Mittwoch der letzte Unterrichtstag war, donnerstags schulfrei und der Tag, an dem die Lehrer die „Libretas“ ausfüllen sollten. „Diplomas“ konnten leider nicht aufgetrieben werden, da es in Monteagudo nur zu teure gab und keine Zeit mehr war, nach Sucre oder Serrano zu fahren.

Bis Mittwoch gab es dann also mehr oder weniger Unterricht, die meisten haben Filme geschaut. Im Internat wurde nachmittags aufgeräumt, geputzt, die Wolldecken gewaschen. Dienstags backten wir „Tortas“ (schmeckt wie Kuchen aber wird gemacht wie Brot und ist verziert). Und mittwochs gingen alle Kinder nach Hause.

Doña Leonarda bat mich ihr nachmittags zu helfen, die Klassenzimmer putzen, was ich auch tat. Das Ganze war eigentlich sehr spaßig. Ich dachte, wir würden die Klassenzimmer ausräumen, fegen und feucht wischen. So begann ich auch. Und dann kam Leonarda mit dem Gartenschlauch und ging ins Klassenzimmer. Lief damit herum, spritzte alles ab (so wurden dann auch die Tafeln geputzt), bis im Klassenzimmer das Wasser ungefähr zehn Zentimeter hoch stand. Dann kam sie mit Waschmittel, schüttete davon im Raum verteilt ein paar Häufchen auf den Boden und drückte mir dann einen Besen in die Hand. Wir begannen den Boden zu schrubben. Das Waschmittel zu verteilen, bis das alles einem Schaumbad glich. Die Fenster schrubbten wir auch mit den nun eingeschäumten Besen ab. Und danach versuchten wir mit den Besen das Wasser wieder aus dem Zimmer „herauszuschieben“. Als noch so fünf Zentimeter übrig waren, beschloss Leonarda, das würde von allein trocknen und wir gingen ins nächste Klassenzimmer.

Donnerstags hatte ich nichts zu tun. Ich räumte ein bisschen mein Zimmer auf und suchte mir Arbeit. Half Leonarda und ein paar anderen Frauen, noch mehr Tortas zu backen. Die Lehrer waren damit beschäftigt, die „Libretas“ zu drucken.

Und freitags war der große Tag. Schon morgens wurde gekocht und nach und nach trudelten die Schüler mit ihren Eltern ein. Um 1000 Uhr sollte es losgehen.

Um kurz vor 1000 Uhr begann jedoch erst einmal noch eine Reunion der Lehrer, in der das Programm der Clausura am Nachmittag festgelegt werden sollte. Nach dem dies dann geschehen war, ich es am PC geschrieben hatte und es ausgedruckt war, begann um 1100 Uhr, die für 1000 Uhr vorgesehene Reunion der Communidad, bei der alle Lehrer, Eltern, Autoritäten und sonst auch alle aus der Communidad anwesend sein sollten. Es wurde über das Schuljahr geredet, die Probleme, und die Lehrer wurden beurteilt. Die Reunion begann mit dem einleitenden Satz: „Wir wollen uns alle kurzfassen, wir haben heute viel vor, ich will nicht viel reden, ich hoffe, sie reden auch nicht viel, und wir sind in einer Stunde um 1200 Uhr pünktlich zum Mittagessen fertig.“ – Naja, netter Gedanke. Wir waren um 1330 Uhr ungefähr fertig. Es wurde ein halbe Stunde Pause für das Mittagessen erlaubt und dann gab es eine zweite Reunion, an der ich aber nicht mehr teilnahm. Ich beschäftigte mich derweil mit den Kindern, schoss Fotos und zeigte ihnen Bilder und Videos, die Marie hier in El Villar gemacht hatte, als ich meine Kamera nicht mitgenommen hatte.

Gegen 1600 Uhr (zwei Stunden später, als eigentlich geplant) begann dann die „Clausura“. Es wurden reden gehalten, von Autoritäten aus Karachimayu und von noch höheren Tieren aus El Villar. Der Direktor kam auch nicht zu kurz. Irgendwann begann dann die Verteilung der Preise an die drei Klassenbesten, die nun statt eines Diploms eine Tüte voll Süßigkeiten bekamen. Es wurden Preise verteilt, an Erwachsene, die an einem Bildungsprojekt teilnahmen, in dem Erwachsenen Lesen und Schreiben beigebracht wurde, und danach begann die Fiesta.

Es fing damit an, dass alle Lehrer, Doña Flora (Internats-Tutorin) und Doña Leonarda („Portera“ – Hausmeisterin) Luftschlangen um den Hals, Konfetti auf den Kopf und einen riesigen Teller Reis, Kartoffeln und Fleisch vor die Nase gesetzt bekamen. Dazu jeder Lehrer noch einen Eimer Chicha (dieses hier ja so beliebte Mais-„Bier“, oder auch „der Whisky Boliviens“) und eine der Tortas, die ich mit Doña Leonarda gebacken hatte. Zunächst lief ich noch rum und machte Fotos, aber als das die Konfetti- und Essens-Verteiler merkten, wurde ich sofort zum Tisch geschoben, ein Stuhl geholt, mir eine Girlande um den Hals gehangen, Konfetti auf dem Kopf verteilt und Essen für mich geholt. Ich war ja Teil der Lehrer.




Und als alle Lehrer mehr oder weniger fertig gegessen hatten, oder ihr Essen irgendwo verstaut, standen sie, jeder mit seinem Eimer Chicha bewaffnet auf, und verteilten an die Gäste – „te invito“. Die Stühle wurden umgestellt, sodass alle mehr oder weniger in einem riesigen Kreis auf dem Schulhof saßen. Tja, und so wurde getrunken und geredet bis tief in die Nacht hinein. Es wurde Licht angemacht, Musik gemacht und später, als der Alkoholpegel hoch genug war, wurde auch getanzt (so gern die Leute in Karachimayu auch tanzen, mit Alkohol scheint es ihnen trotzdem immer leichter zu fallen).

Die Kinder? Naja, die waren halt dabei, spielten Fangen, Verstecken, Ball, oder schliefen dann irgendwo ein. Nur die Internatskinder, die einen langen Weg hatten, waren mit ihren Eltern schon direkt nach der Zeugnisvergabe nach Hause gegangen.

Ich ging ziemlich müde schon recht früh ins Bett. Es ist einfach schwer, länger wach zu bleiben, wenn man es gewohnt ist, spätestens um 2030 Uhr zu schlafen.


Die Clausura ist nach meiner Erfahrung also ein ziemlich langer und langweiliger Tag, der abends mit viel Alkohol endet – interessante Zeugnisausgabe.

Freitag, 21. November 2014

Kranksein

Ja, mich hat es dann wohl auch mal erwischt. Nachdem aus meiner WG alle schon mal krank waren bin jetzt auch ich dran. Mit einer fetten Erkältung kam ich am Sonntag aus Sucre zurück und wurde direkt vollkommen geschockt von Don Gaston und Doña Fanny begrüßt, warum ich krank denn nicht in Sucre geblieben wäre, hier in El Villar könne man mit einer Erkältung sterben. – Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber gut. Damit war entschieden, dass ich mich diese Woche in El Villar auskurieren sollte und nicht nach Karachimayu gehen würde.

Das wäre sowieso mal wieder etwas schwierig geworden, da meine Lehrer nicht wie versprochen auf mich gewartet hatten und es keine andere Mobilidad mehr gäbe und außerdem der Durchgang sowieso wieder zur Baustelle geworden sei.

Ich blieb dann also in El Villar, in warme Klamotten eingepackt bis zum Anschlag und ging auch, wie versprochen, montags zum Arzt. Dort erfuhr ich allerdings nur, dass ich eine sehr starke Erkältung hatte – was ich aber ja schon wusste. Dazu bekam ich noch die Info, dass ich mich immer warm halten solle und am besten in El Villar bleibe, weil ein Klima-Wechsel mir nicht so gut bekäme.

Leider ist das mit dem gesund werden hier gar nicht so einfach, wie man denkt. Und das mit dem warm halten auch nicht. Das fängt jeden Abend an, wenn die Sonne weg ist und es kalt wird. Sehr kalt.

An dieser Stelle ist auch eine Beschreibung unserer Wohnsituation hier in El Villar nicht schlecht. Wir Freiwilligen haben drei Zimmer, in denen wir uns ausbreiten können. Eines für die Jungen mit fünf Betten, zwei für die Mädchen, eines mit zwei, eines mit drei Betten. Es gibt ein Bad für die Mädchen und eines für die Jungen. Außerdem haben wir einen Balkon. Ja, ihr seht schon: es fehlt ein Wohnzimmer, aber was noch viel mehr fehlt ist irgendwie ein Flur oder so etwas. Das haben wir nicht.


Wenn wir aus unseren Zimmern gehen stehen wir im Freien. Gut, es ist überdacht, aber das hält nicht wirklich viel Kälte ab. Tja, und hier ist überall Fliesenboden. Und wir haben schön große Fenster, Marie und ich haben sogar zwei – und die sind nicht richtig dicht. Sie schließen auch nicht richtig. Und eine Heizung gibt es sowieso nicht, das hat hier niemand.

Und so ist es, wenn das Wetter nicht so toll ist, kalt. Sehr kalt. Überall.

Tja, und in der Woche, die ich krank in El Villar verbracht habe, war das Wetter eher so, wie wir es für November in Deutschland erwartet hätten, nicht so, wie es im Frühling sein sollte. Es war grau, kalt, regnerisch – usselig, wie ich immer so schön sage. Wir verbrachten die Tage eingemummelt in Klamotten und die Nächte ebenfalls in mehreren Kleidungsschichten unter so vielen Decken, wie man finden konnte. Trotzdem froren wir vor allem nachts.

Meine Genesung dauerte also etwas länger als normal, weil ich die Empfehlung des Arztes, dass ich nicht frieren durfte, schlicht und einfach nicht befolgen konnte. Gegen Ende der Woche ging es mir trotzdem besser, und so konnte ich am Montag mit Felix wieder Richtung Karachimayu reisen.

Zu dieser Reise kann man sagen, dass es leider keinen Durchgang gab an der Baustelle (obwohl uns versichert wurde, dass es „paso“ gäbe). Felix lud mich also dort ab und drehte um, um einen anderen (längeren und hässlicheren) Weg zu nehmen, und ich lief. Leider war das keine gute Idee, denn nach zwei einhalb Stunden Wanderung konnte ich kaum noch atmen, und die Woche in Karachi begann ich dann doch auch wieder mit ziemlichem Husten und allgemeiner Antriebslosigkeit. Aber dort taten mir die warmen und vor allem langen Nächte gut, freitags war ich fast vollkommen wieder gesund.

Über diese zwei Wochen ist sonst inhaltlich aber nicht allzuviel zu sagen, wenn es mir entsprechend gut ging, ging ich mit Marie in die Schule und half ein bisschen, die restliche Zeit verbrachte ich zum Großteil im Bett. Und in Karachimayu habe ich eben gearbeitet. Da waren mittwochs die sogenannten „Demonstraciones y Exposiciones“, bei denen die Kinder alle ihre Sachen ausstellen, die sie während des Schuljahres gebastelt haben, bei denen es Sport- und Tanzaufführungen gibt, und Essen und Trinken, das die Schüler zubereitet haben, an Eltern und andere Besucher verkauft wird. Leider hatte ich aber meine Kamera in El Villar vergessen und konnte so keine Bilder von diesem Tag machen. (Ich kann aber den Blick auf Maries Blog empfehlen, die von den „Exposiciones y Demonstraciones“ in El Villar Fotos veröffentlicht hat.)

Montag, 3. November 2014

Allerheiligen mal anders

Dieses Wochenende war ja Allerheiligen. Hier in Bolivien ist das ein ziemlich großer Feiertag.

Die Vorbereitungen dafür beginnen schon ein bis zwei Wochen vor dem eigentlichen Termin: Es wird Chicha gemacht und Brot gebacken. Dann samstags fängt es an.

Den ganzen Tag sieht man niemanden. Alle sind in ihren Häusern. Und auf dem Friedhof sind auch ziemlich viele. Die Gräber werden vorbereitet. Abends besucht man die Gräber. Es wird gebetet und danach gibt es einen Gottesdienst auf dem Friedhof. Wir wollten diesen auch besuchen, mussten aber leider wegen einem Wolkenbruch die Flucht ergreifen, wir waren gerade rechtzeitig wieder am Hostel, bevor die Straßen wirklich so vermatscht waren, dass sie unbegehbar waren - vollkommen durchnässt waren wir trotzdem.

Am Tag darauf, Sonntag, gab es um 9:00 Uhr eine Messe, die aber nicht so besucht war, da viele noch mit dem Alkohol von der vorigen Nacht zu kämpfen hatten. Den Toten, beziehungsweise deren Seelen, wird nämlich immer Alkohol geschenkt, und der Rest wird selbst getrunken.

Nach der Messe bildeten sich Grüppchen. Wir wurden von unserer Gastmutter Fanny unter die Fittiche genommen und gingen mit ihr mit. Es ging von Haus zu Haus.

In den Häusern derer, bei denen dieses Jahr jemand gestorben ist, widr ein Altar oder so etwas in der Art aufgebaut, dieser ist wunderschön geschmückt mit Bildern der Verstorbenen und Sachen, die sie mochten. Da stehen dann verschiedene Gebäcke, Essen, Alkohol, Coca, Zigaretten und so Sachen. Die Leute kommen und beten mit den Familien. Danach bekommt jeder ein alkoholisches Getränk von dem die Hälfte (oder je nachdem wie viel man selber trinken will mehr oder weniger - bei uns war es eigentlich immer alles bis auf einen Schluck) dem Toten gegeben wird, indem man sie in Schlucken um den Altar auf dem Boden verteilt. Danach verteilen die Angehörigen des Verstorbenen unter den Besuchern Brot-Tüten und danach gibt es für jeden der Anwesenden noch eine Portion Picante, also Reis mit Kartoffeln und scharfer Soße, mit einem Stück Fleisch.

Das erste Haus war das einzige, in dem aber auch richtig getrauert wurde, hier wurde auch geweint, in den anderen Häusern nur mehr getrunken.

Wir gingen insgesamt in fünf Häuser. Und haben jetzt ganz schön viel Brot. Hatten um zwölf Uhr mittags schon zwei Portionen Picante gegessen und Chicha und anderen Alkohol getrunken. In den letzten zwei Häusern lehnten wir alles bis auf das Brot ab. Aus dem Mix der zu uns genommenen Sachen war uns schon allen irgendwie schlecht.

Unsere Brot-Ausbeute des Tages.
Es gibt gefüllte Teigtaschen (Empanadas), Kuchen, Kekse, Brötchen und noch anderes Gebäck.
Nachmittags und abends wurde in den Häusern der frisch Verstorbenen immer noch getrunken und auch allen, die wollten ausgeschenkt. Wir besuchten noch die Lehrerin von Marie, Wilma, deren Vater dieses Jahr verstorben war, konnten uns aber nur schwer wohlfühlen, da alle, denen wir sagten, wir wollten nichts trinken, beleidigt waren.

Es war ein ziemlich interessantes Fest.

Samstag, 1. November 2014

Meine Liebe zu Insekten

Ist nicht existent.

Und hier in Bolivien wird genau diese Einstellung noch bestärkt. Leute, was es hier für Viecher gibt ist nicht mehr schön.

Fangen wir mit dem harmlosen an: Es gibt natürlich Fliegen wie wahrscheinlich überall auf der Welt. Außerdem gibt es Moskitos (vor allem in meinem lieben fast tropischen Karachi), die sind sau ätzend, die fressen einen richtig, aber Mücken kennt man ja zumindest auch.

Dann gibt es Käfer. In Karachi sicher auch, aber die merkt man da nicht so, weil wir ja noch nicht wirklich Licht haben, nur alle paar Wochen mal zwei Tage. In El Villar trifft man diese Freunde aber jeden Abend an jeder Straßenlaterne oder irgendwie anderen Lichtquelle. Käfer kennt man auch. Aber da gibt es hier schon mal Unterschiede. Zum einen die Anzahl: Man kann abends nicht durch die Straßen laufen, ohne nicht bei jedem Schritt mindestens drei Käfer zu ertreten. Sie sitzen auf dem ganzen Boden. Und fliegen natürlich noch an den Lampen rum. Es sind so, so viele. Und dann ist da noch die Größe: Es gibt hier zwar auch ganz normale kleine Käfer, aber die meisten sind richtig fett. Locker so groß wie ein Daumen oder so. Und einfach nur eklig.

Außerdem gibt es Falter. Riesige! Die sind so groß wie meine Handfläche oder noch größer. Die finde ich auch irgendwie gruselig. Vor allem, weil die hier in El Villar immer so komisch weiß sind, die sehen aus wie Gespenster-Falter.

Dann gibt es natürlich riesige Heuschrecken, aber da hatte ich in Deutschland auch schon nette Erfahrungen mit, also die sind nichts neues, aber dann, tja, dann gibt es da noch Spinnen.

Und die Spinnen sind der reinste Horror. Die mag ich ja schon in Deutschland nicht wirklich, wo sie ja noch echt schön klein sind und auch eigentlich nichts machen. Aber hier sind die… anders. Ich hatte am Anfang mal eine Spinne in meinem Zimmer, neben meinem Bett. Ich fand das ziemlich unangenehm, dachte mir aber, ich liege unter meinem Moskitonetz, die wird mich schon nicht berühren. Diese Spinne war auch gut groß. So drei bis vier Zentimeter mit einem locker ein Zentimeter dicken Körper. Tags drauf hatte ich einen Biss am Ellenbogen. Ähnlich wie ein Moskitostich, nur sehr viel größer und so, dass mein ganzer Ellenbogen angeschwollen ist. Darauf wurde mir gesagt, die Spinnen hier seien nicht ungefährlich und ich solle sie immer sofort töten, sobald ich eine sehe. Juhu. Dazu kommt, dass das leichter gesagt ist, als getan. Mein letztes Beispiel: Ich stand am Donnerstag in Karachimayu unter der Dusche, schau mich um und entdecke eine Spinne über der Tür. Sie bewegt sich nicht. Aber sie ist so groß wie meine Handfläche. Und ihr Körper ist ungefähr zwei Zentimeter groß oder noch größer. – Das entspannte Duschen war vorbei, ich hab sie nicht mehr aus den Augen gelassen und auf einmal läuft sie auf mich zu. Ich ließ einen Schrei und sprang aus der Dusche. Draußen wickelte ich mich schnell in mein Handtuch (man steht da nämlich direkt draußen vor der Schule) und wartete. Zufällig kam grade Yolanda vorbei und hatte meinen Schrei auch gehört. „Ist kalt die Dusche?“ – „Ehm ja, aber da ist auch eine Spinne.“ – „Dann töte sie doch..?“ – „ Ich kann nicht, die ist riesig!“ – „Haha, Moment, ich bin gleich da.“ Und dann kam sie, stellte sich mit einem Stock in die Dusche und brachte die Spinne um, sodass ich fertig duschen konnte. Sie fand das ganze ziemlich unterhaltsam – ich nicht. Aber gut.


Vielleicht gewöhne ich mich ja noch an diesen tierischen Teil Boliviens – ich glaube eher nicht.