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Samstag, 25. April 2015

Zahngeschichten

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Aber es ist erschreckend. Man ist immer wieder geschockt.

Vielleicht hierzu kurze Gesprächs-Beispiele:

Karachimayu
Raul und ich treffen uns morgens am Waschbecken, wir putzen beide Zähne. Irgendwann:
Raul: „Oh, autsch.“
Antonia: „Tut dir was weh?“
Raul: „Ja, meine Zähne, aber das ist kein Problem, dann muss man einfach so putzen.“ – Hält seine Hände unters Wasser und reibt mit seinen nassen Fingern seine Zähne ab.
Antonia (schaut ein bisschen verwirrt): „Aha..?“
Raul: „Tut dir das (mit der Bürste) nicht weh?“
Antonia: „Nein, eigentlich nicht.“
Raul ist 3 Jahre alt.

El Villar
Als Gast im Computerunterricht bei Marie in El Villar. Eine ihrer Schülerinnen isst einen Lutscher.
Schülerin: „Oh, Antonia, du hast aber schöne Zähne!“
Antonia: „Oh, Danke.“
Schülerin: „Du isst bestimmt nicht viele Süßigkeiten, oder?“
Antonia: „Nein, das schmeckt mir nicht so…“
Schülerin: „Ahaaaa.“

El Villar
Marie und ein Schüler in ihrer Inicial-Klasse (Vorschule):
Manuel (reißt den Mund auf und zeigt ihr ein Loch im Zahn): „Das tut weh…“
Marie: „Ja, du musst deine Zähne putzen!“
Manuel: „Und dann geht das weg?“

Karachimayu
Ich helfe Doña Leonidas in der Küche, auf einmal wird sie blass, fasst sich an die Wange und setzt sich hin.
Leonidas: „Hast du vielleicht eine Paracetamol?“
Antonia: „Ich hab Iboprufen, wieso?“
Leonidas: „Ich hab seit heute Morgen höllische Zahnschmerzen, ich kann mich kaum bewegen.“

El Villar
Mittlerweile habe ich meine Einsatzstelle gewechselt, bin selber in El Villar. Als Gast mal wieder bei Inicial. Die Kinder putzen sich seit ein paar Wochen immer nach dem Essen die Zähne.
Liliana putzt nur von außen die Zähne. Ich sage ihr, sie müsse auch die Zahnflächen putzen, zeige ihr kurz wie, doch obwohl ich fast keinen Druck ausübe, zuckt sie zusammen. „Oh, das tut aber weh!“


Nun ja, und dann gibt es noch die ganzen Erwachsenen ohne Zähne, oder mit Goldzähnen, Jugendliche mit auf den ersten Blick ganz guten Zähnen, aber wenn sie dann lachen, sieht man den Karies auf den Backenzähnen.

Freitag, 10. April 2015

Weil wir so schön sind, so schlau sind, so schlank und rank

 Mein bisheriges Bild von Bolivianern war eher so: Bolivianer sind sehr entspannt, in allen Lebensbereichen. Sie lieben den Sport, vor allem Fußball und Fútsal. Viele scheinen deshalb auch in Sportklamotten zu leben. Jogginghosen sind in allen Lebenslagen und für alle Berufe durchaus tragbar. Sie lieben Farben, tragen sehr bunte Klamotten. Sind zum größten Teil nicht eitel oder eingebildet.

Und dann war die „Semana del Colegio“ (Woche des Colegios, eine Woche feiern, weil der Namensgeber des Colegios vor so-und-so vielen Jahren gestorben ist).

Jeden Abend waren verschiedene Veranstaltungen im Colegio. Montags begann es mit einer Taufe der Neuen, die von wild verkleideten, tanzenden Monstern rumgewirbelt wurden und dann einen Spitznamen bekamen;  und einer ersten Miss-Wahl.

Ja, Miss-Wahl. In einem derart entspannten und un-eingebildeten Land, eine Sache, die ich nicht erwartet hätte.

Montags gab es also eine Miss-Deporte-Wahl (Miss-Sport). Aus jeder Klasse des Colegios lief ein Mädchen, mehr oder weniger knapp in sportlichen Sachen bekleidet, eine Runde über den Schulhof. Es gab eine Jury und fast jedes Mädchen wurde lauthals von seiner Klasse unterstützt.

Dienstags gab es eine „Miss Bufa“-Wahl, bei der Jungen als Mädchen verkleidet über den Catwalk stolzierten und danach tanzten. Diese Aktion war ziemlich witzig. Aber diese ersten beiden Wahlen waren nur ein Vorgeschmack auf die Hauptattraktion am Mittwochabend.

Mittwochabend fand nämlich die richtige Wahl der Miss und des Misters des Colegios des Jahres 2015 statt.

Aus jeder Klasse traten diesmal ein Junge und ein Mädchen an, die sich zunächst in Alltagskleidung und danach in Abendmode zeigten.

Alltagskleidung bestand bei den Mädchen zum größten Teil aus sehr knappen Shorts und Trägertops, also einem „Hauch von nichts“ und Absatzschuhen, was nicht so ganz der Alltagskleidung hier entspricht (man trägt eher lange Hosen oder knielange Röcke und Trägertops auch eher nicht); die Jungen trugen zwar normale Kleidung, aber alle Sonnenbrillen, die irgendwie nicht so wahnsinnig schön ist. Aber nun ja, das ist nur meine persönliche Meinung.

Die Abendmode war da schon angenehmer, einige Mädchen sahen wirklich richtig schön aus, einige hatten aber anscheinend nicht so einen guten Berater.

Cristian (9. Klasse), Beatrice/Betty und Jhenry (gesprochen wie Henry) (beide 8. Klasse).

Es gewannen letztendlich ein Abschluss-Schüler, der wirklich nicht schlecht aussieht, und ein Mädchen aus der 10. Klasse, die auch wirklich eine der schönsten Mädchen der ganzen Schule sind.

Alvaro, Iberth Lusi, Cristian und Elvis beim Quatsch machen.
Ademar, Iberth Luis, Cristian und Elvis, unten inder Ecke Miguel. Hier sieht man auch schön die "ccole" Sonnenbrille und bei den anderen Jungs die normale Kleidung, Jogginghosen, -jacken, Kappen und meistens Flip-Flops.
Wir waren mit Pedro, einem Villarejo, der in Sucre im Hostel an der Rezeption arbeitet, da.
Debby und ich, die zwei Blondinen der WG. Wir werden ziemlich oft verwechselt, echt unbegründet, oder?


Samstag, 4. April 2015

Mar para Bolivia!

Bolivien hat kein Meer. Seit über 100 Jahren schon nicht mehr. Im Krieg mit Chile und Peru hat Bolivien eines seiner bodenschatzreichsten „Departementos“ (etwa wie ein Bundesland), mit Zugang zum Meer, verloren.

Doch die Bolivianer sind hartnäckig, sie geben nicht auf, sie wollen ihr Meer zurück.

Es gibt eine bolivienweite Kampagne „Mar para Bolivia“ (Meer für Bolivien), die sich auch langsam auf den Rest der Welt ausweitet. Immer mal wieder sieht man auf Facebook Fotos von Prominenten (so zum Beispiel auch Lionel Messi), die ein Plakat mit der Nachricht hochhalten.

In meiner 4. Klasse schreiben wir jeden Tag lokale, nationale und internationale Nachrichten auf, wodurch ich, vor allem was das Meer angeht, immer auf einem recht aktuellen Stand bin.

Vor ein paar Wochen gab es anscheinend eine internationale Konferenz über Boliviens Meer und erst letzte Woche war der Präsident Evo Morales in Chile um das Meer zurück zu fordern.
Außerdem kommt im Juli der Papst Franziskus zu Besuch nach Bolivien, der viele Hoffnungen trägt. Gleichzeitig haben die Chilenen Angst davor, dass der Papst sich auf die Seite der Bolivianer stellt und sich auch für das Meer für Bolivien einsetzt.

Bolivien hat außerdem auch ein Marine, die im Titiaca-See und in den Flüssen im Tiefland stationiert ist, bereit dafür, wieder ein Meerzugang zu haben.

Und seit vielen Jahren wird am 23. März der „Dia del mar“ (Tag des Meeres) gefeiert.

Der Tag des Meeres:

Alle Schüler und Lehrer kommen feingemacht in Hemden, Blusen und Anzügen in die Schule, es wird sich vorbereitet und gegen 900 Uhr gibt es eine große „Formación“ der Escuela (Vorschule bis 6. Klasse), des Colegios (7. bis 12. Klasse) und des IPEPROs (Berufsschule). Es werden reißerische Reden gehalten über Bolivien, das Meer, den Krieg und die bösen Chilenen, die das Meer so gemein geklaut haben. Danach gibt es einen Marsch durch das ganze Dorf. Es ist beeindruckend, mehrere hundert Kinder und junge Erwachsene marschieren alle in hellblauen Blusen und Hemden im Gleichschritt durch El Villar. Dazu gibt es Marschmusik gespielt von der Kapelle des Colegios. Die Erstklässler tragen Schilder wie bei einer Demonstration.

„Mar para Bolivia!“
„Bolivia nació con mar!“ (Bolivien wurde mit Meer geboren!)
Bolivia hacía el mar!” (Bolivien machte das Meer!)

Bolivien machte das Meer!

Danach versammelten sich alle im Colegio und es wurden Tänze, Lieder und Gedichte zu Ehren des Meeres und der (wohl doch nicht so) ruhmreichen Kämpfer vorgetragen.

Ein paar meiner 4. Klässler, die "Zapateo" tanzen.
Die Schüler aus dem IPEPRO führen einen "Cueca" vor.


Die Bolivianer sind in dieser Sache so engagiert, so eifrig dabei, alles zu tun, was sie können, um das Meer wieder zu bekommen, manchmal glaube ich selbst daran. Aber warten wir einfach mal ab, vielleicht verlassen wir in knapp drei Monaten ein Land mit zehn „Departementos“ und Meer.