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Dienstag, 2. September 2014

Eine spannende Reise – das Verkehrsmittel Camión

Montags um 8:00 Uhr  sollte es losgehen. Felix und ich kommen endlich zu unseren Aussendörfern. 

Nach einem kurzen Frühstück und den Verabschiedungen packten Felix und ich also endlich unsere Rucksäcke und gingen mit Don Gaston zu dem Ort, wo wir abgeholt werden sollten. Don Gaston hatte uns davor schon zugequatscht, aber keiner von uns hat wirklich etwas verstanden. 

Und dann standen wir vor einem Lagerhaus für Lebensmittel vor einem LKW, groß, gelb und gerade dabei beladen zu werden. „So, wir sind da.“ Felix wird direkt eingebunden ins Beladen und ich stehe nur leicht verdattert daneben. Per LKW reisen?  – ich hatte schon gehört, dass das einem hier passieren kann. Nur hatte ich irgendwie noch nicht damit gerechnet. Nun ja, Don Gaston erzählte mir noch einiges und gab mir Anweisungen. Ich verstand vielleicht ein Drittel von dem, was er sagte. Das was ich verstand war, dass unsere Mitfahrgelegenheit nicht bis nach Karachimayu fährt, sondern nur bis in ein benachbartes Dorf namens La Revuelta, in dem ich auszusteigen hätte und auf ihn warten solle. Dann war er weg und ich stand wieder da und wartete.

Unsere Mitfahrgelegenheit
So gegen 9:00 Uhr war der LKW fertig beladen und wir konnten einsteigen. Allerdings ging die Reise noch nicht los. Wir fuhren noch ungefähr eine Stunde quer durch El Villar, damit sich der Fahrer mit ausreichend Koka eindecken konnte, dann wurden noch zwei Beifahrer eingeladen , die sich ebenfalls mit Koka eindecken mussten. Zusätzlich wurde noch Zement oder ähnliches eingeladen. Alles wurde so beladen, dass hinten jemand aufsitzen konnte.Felix entschied sich hinten auf dem Laster zu sitzen und so fuhren wir dann gegen 10:00 Uhr endlich los. Felix hinten mit einem Bolivianer bei Zement, Rucksäcken und Lebensmitteln, ich vorne mit drei Bolivianern, zwei davon die erste halbe Stunde bis Stunde damit beschäftigt sich eine Kokabacke zu stopfen, bis die so groß war wie meine Faust. Wir hielten nur noch einmal kurz vor Ortsende, weil Don Gaston mit einer Tüte voll Bananen wedelte, die er mir gekauft hatte. Leicht verwirrt nahm ich die entgegen und fragte mich, was Felix und ich mit einem halben Dutzend Bananen anfangen sollten, auf unserer kurzen Fahrt in unsere Dörfer. Hm, zweimal verschätzt.

Die kurze Fahrt war eindeutig etwas länger. Nach drei Stunden oder so erfuhr ich, dass wir einen Umweg fahren mussten, weil der direkte Weg (der wirklich nur kurz ist) nach Karachi nicht befahrbar ist - er wird neu gemacht.

Der Weg war... interessant. Wir fuhren insgesamt ungefähr sieben Stunden. Über Stock und Stein. Und zwar Wort wörtlich. Aber eher mehr Stein. Nach unserer Reise war mir definitiv etwas übel. 
Wir wurden gut durchgeschüttelt.

Zunächst fuhren wir durch die für Sucre und Umgebung übliche Gegend, an die wir uns schon gewöhnt hatten. Viel Staub, sandig, trocken, braun. Vereinzelt ein paar recht ausgedörrt aussehende Bäumchen und Sträucher. Das ganze recht hügelig. Dann aber fuhren wir hoch, immer höher. Und die Landschaft wurde grauer, es wurde kiesiger und wenn etwas grün war, dann waren das nur noch knapp kniehohe Sträucher. Nach einer Weile mussten wir natürlich wieder bergab, denn dass da oben niemand lebte war offensichtlich. Und auf der anderen Seite dieser Berge waren wir im Dschungel. Als ich nachher mit Felix redete sagte er mir, er hatte das Gefühl wir wären falsch, „wo sind wir denn hier gelandet?“ – wir hatten den gleichen Gedanken. Mit so viel Grün hatte ich nicht gerechnet. Viele Bäume, Sträucher, dazwischen (es gab nicht viel dazwischen) auch Wiese. Ein Bach hier, ein Rinnsal da. Insekten, Vögel. Sehr viele Blumen in jeder Farbe. Im Tal ein Fluss. 

Wir fahren ins Tal, folgen dem Fluss und sind schließlich irgendwann in La Revuelta. Es ist ganz anders, als wir erwartet hatten, wir wurden nicht vorgewarnt. Es ist warm. Sehr warm. Die Luft ist angenehm, nicht zu trocken, es ist lebendig. Es ist wunderschön. 
Eine wirklich atemberaubende Landschaft.

La Revuelta ist recht klein. Der Mittelpunkt dieses Ortes ist ein großer, ziemlich ausgetrockneter Fußballplatz, darum stehen ein paar Hütten und Häuser und es gibt eine Schule mit zwei Klassen. 
An der Straße, die in den Ort hineinführt stehen ein paar weitere Häuschen, auf der Straße hinaus ebenfalls, und dort befindet sich auch das Centro de Salud, in dem ich mit ein paar Lebensmitteln und den Zementsäcken abgeladen werde.

Von dem was geredet wurde verstand ich wieder nicht wirklich viel. Das was ich verstand war, dass ich anscheinend bis morgen bleiben würde und dann wurde mir mitgeteilt meine Sachen in ein Zimmer zu bringen und auf ein Bett gedeutet, wo ich die Nacht verbringen würde. Als alles ausgeladen war fuhren Felix und die anderen weiter – und ich war allein.

Das Centro de Salud besteht aus einem Behandlungszimmer, einem Geburtssaal, einem Zahnarzt-Zimmer, einem Raum in dem Medikamente ausgegeben werden und einem Raum, in dem nur zwei Betten standen. Außerdem gab es ein Zimmer, in dem die Krankenschwester lebte, eine Küche und ein großer Raum, in dem Medikamente in vier Kühlschränken gelagert werden. Es gibt eine Zahnärztin (Dentista), eine Ärztin (Doctora) und eine Krankenschwester mit ihrer Tochter
Tja und dann war da noch ich.

Gemütlich, oder?
Ich hatte nichts zu tun und saß erst eine Weile in „meinem Zimmer“ (das übrigens auch spannend war) und habe Tagebuch geschrieben. Dann wurde mir langweilig und ich hab den Frauen beim Kochen geholfen und danach mit ihnen Zuckerrohr oder so gegessen. Sie waren zwar irgendwann nett, aber am Anfang waren sie einfach nur gemein. Ich meine, ja okay, mein Spanisch war echt mies, aber ich hab mir Mühe gegeben. Und die Frauen meinten die ganze Zeit, mich auslachen zu müssen, wenn ich etwas nicht verstehe, oder mich nicht richtig ausdrücken konnte.
Nun ja, witzig wurde es, als die Ambulancia vorbeifuhr und die Ärztinnen aufsprangen und mich fragten, ob ich meine Compañeros nicht begrüßen wollte. Ich war leicht verwirrt, meine Compañeros, Debby, Marie, Tina und Felix, waren ja schließlich in ihren Einsatzstellen, oder unterwegs dahin. Trotzdem folgte ich den Ärztinnen raus zur Ambulancia und tada, da standen meine vier deutschen Dentistas.

Zu Dentistas einen kurzen Ausflug, da ich sie bisher noch nicht erwähnt habe. Über Max Steiner, den Kopf von Hostelling International, laufen außer unserem Freiwilligen-Projekt noch einige andere Projekte. Unter anderen ein Projekt, im Zuge dessen jedes Jahr eine Handvoll Zahnärzte hier nach Sucre kommt und umsonst in Schulen Kinder und Erwachsene behandelt, und ihnen Zahnbürsten mitgibt. Sehr viel mehr weiß ich nicht über dieses Projekt, aber es ist auf jeden Fall eine ziemlich gute und wichtige Aktion, da die Menschen hier nicht wirklich ihre Zähne putzen, viel Süßes und Zucker essen – und dementsprechend auch ihre Zähne aussehen. In Sucre, bei ihrem ersten Stop lernten wir dann vor ein paar Wochen die diesjährigen Ärtze kennen, zwei Jungs, Tibor und Patrick und zwei Mädels, Ann-Kristin und Tanja. Am Anfang der Woche, in der auch wir in unsere Dörfer fuhren, fuhren die Zahnärzte ebenfalls nach El Villar, ihre zweite Station, wo wir uns also wieder trafen und nach einer Woche El Villar ging es dann eine Woche in ein Außendorf von El Villar. Uns wurde zwar gesagt, sie gingen nach Rodeito, also in das Dorf, in dem Felix arbeitet, aber wie ich dann feststellte, kamen sie wohl nach La Revuelta.

Für mich hieß das, ich war nicht mehr allein. Ich half beim Ausladen und so gut ich konnte beim Aufbauen. Mein Zimmer und der Zahnarzt-Raum wurden zu Behandlungszimmer erkoren, was bedeutete, dass neben meinem Bett verschiedene zahnärztliche Gerätschaften aufgebaut wurden, was mein Zimmer nicht unbedingt gemütlicher machte.

Am nächsten Vormittag kam Don Gaston und erzählte mir, dass ich eigentlich in der Schule hätte abgeladen werden sollen und da arbeiten sollte, bis ich nach Karachi kam. Also steckte er mich in die Schule und ich stand vollkommen unvorbereitet vor ein paar Kindern, die noch nie mit einem Freiwilligen zu tun hatten und es deshalb genauso witzig fanden, wie die Ärtze im Centro de Salud, dass ich fast nichts verstand. Ich unterrichtete drei Stunden Englisch und die Kinder aus „meiner Klasse“ gingen nacheinander zu den Zahnärzten, die dann jede Menge zu tun hatten.

Wann ich jedoch endlich nach Karachi könnte stand in den Sternen, von Don Gaston bekam ich die Info: „Hm, vielleicht morgen oder übermorgen oder so.“ Aber die Lehrerin der Klasse, in der ich dann ein bisschen unterrichtete, teilte mir mit, dass nachmittags eine Camioneta (ein Kleintransporter) aus Monteagudo kommen würde, die bis Karachi fahre. Wieder einmal wurden als meine Habseligkeiten zusammengepackt und gewartet, bis besagte Camioneta endlich kam. Gegen 17:00 Uhr war es dann so weit und mein Rucksack wurde wieder hinten auf den Laster geladen. Allerdings gab es diesmal keinen Platz für mich in der Kabine und mir wurde dabei geholfen, auf die Ladefläche zu steigen. Dort waren zwei Holzbretter als Sitzbänke angebracht und es gab Stangen, an denen man sich festhalten musste. So ging es los.

Die Landschaft wurde noch schöner. Gelbe Blumen, der blaue Fluss und hohe Berge neben uns. Die Sonne ging unter und tauchte alles in goldenes Licht. Es war wunderschön und ich entschied mich, dass auf einer Camioneta oder einem Camión hinten sitzen definitiv ein schönes Erlebnis ist. Gegen 18:30 Uhr ungefähr kamen wir in Karachimayu an. Ich sah leider nicht mehr wirklich viel, da es dort keinen Strom gibt und deshalb, sobald die Sonne untergegangen ist, alles dunkel ist. Wir hielten zwischen zwei Häusern, mir wurde gesagt, den Rest solle ich mit einem Herrn mitlaufen, der den Weg zum Internat wisse. Also gut. Ich packte meine Säcke und los ging es. Es war kein weiter Weg, aber im Dunkeln einen Trampelpfad durch Büsche und Sträucher zu verfolgen ist schon spannend, wenn man ihn nicht kennt.

Und dann kam ich an. Ich wurde begrüßt von einer Profesorin (Lehrerin) namens Yolanda, die mir mein Zimmerchen aufschloss und kurz darauf stoß Profe Primo zu uns, der eine Taschenlampe dabei hatte (was ich mir glorreicher Weise nicht angeschafft hatte). Ich verstaute meine Rucksäcke schnell im Zimmerchen, entschied mich alles weitere am nächsten Tag bei Licht zu machen und folgte dann noch der Einladung durch Primo, bei ihm einen Tee zu trinken, bevor ich vollkommen erledigt gegen 20:00 Uhr ins Bett fiel.


Ich war endlich angekommen.

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