Eine Stadt, die in ihrer Blütezeit eine der größten und reichsten
Städte der Welt war – reich durch den Abbau von Silber in dem berühmten Berg
mit dem so passenden Namen „Cerro Rico“ (reicher Berg).
Das einzige was davon heute noch übrig ist, ist eben dieser Berg. Er
reicht hoch über die Stadt hinaus und ist mit seiner glühend roten Farbe schon
von Weitem gut zu sehen. Ein beeindruckendes Bild: Der rote Berg über der
Stadt, die heute eher arm ist und auch so aussieht. Von dem einsten Reichtum
ist nicht mehr viel übrig, nur an den verlassenen Palästen aus der Kolonialzeit
lässt er sich noch erahnen. Es ist wunderschön – wenn man dieses Bild von
alter, fast verfallener Schönheit mag, so wie ich.
Tja und in ebendieser Stadt begann unsere erste Reise durch Bolivien.
Nach einer dreistündigen (halsbrecherischen) Taxifahrt von Sucre nach
Potosí kamen wir dort um die Mittagszeit an und machten uns zunächst auf den
Weg nach Essbarem. Ohne Stadtplan und Ortkenntnisse keine so gute Idee, wie wir
schmerzlich feststellen mussten. Denn leider ist die Stadt nicht wirklich
ähnlich zu dem uns bekannten Sucre. Wir aßen schließlich mehr schlecht als
recht in irgendeiner versifften Cafeteria, aber Essen ist Essen und unser
Hunger war gestillt.
Danach wurden wir ziemlich zügig in einen kleinen VW-Bus gesteckt: „Ihr
seid zu spät dran, es ist schon zwei Minuten nach 14
00 Uhr, ihr
fahrt jetzt direkt zu den Minen. Es ging mit dem Büsschen durch Potosí, wir
sammelten noch ein paar bolivianische Touris aus Santa Cruz und La Paz ein und
fuhren dann mit unserer Guide zu einem Haus, wo jeder von uns in graue
Minen-Arbeiterkleidung gesteckt wurde, einen Helm und eine Kopflampe bekam.
Dann ging es weiter. Wir hielten noch einmal auf dem „Mercardo Minero“, einer Straße,
in der mehrere Läden mit Minenarbeiter (Mineros)-Utensilien sind. Dort wurden
wir angeheißen, uns mit ein paar Geschenken für die Minenarbeiter auszustatten:
Koka, Alkohol, Saft, Dynamit oder so ein rosa Pulver, mit dem die Sprengungen
optimiert werden. Wir entschieden uns für Koka und Saft.
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Supersexy in unseren Minen-Outfits. |
Die Minen waren beeindruckend. Unangenehm. Die Geschichten, die unsere
Guide erzählte bedrückend.
Wir begannen die Tour durch die Minen bei dem „Tío“ des Berges. Einem
Gott, dem beim Eintreten in die Minen Gaben geopfert werden. Der „Tío“ ist ein
alter Gott, der noch aus dem alten Glauben der Bolivianer stand, bevor hier die
Spanier alle zu Christen machten. Unsere Guide erzählte uns, dass das vor allem
daran lag, dass man für den Katholizismus der Spanier Spanisch können musste
und lesen. Da die ersten Minenarbeiter aber einfache Indigena waren und dies
noch nicht konnten, nahmen sie ihren Glauben mit in den Berg. Später, als die
Bolivianier Spanisch konnten und somit fast alle chrristianisiert waren, blieb
dieser Glaube. „Draußen war man Katholik, aber sobald man den Berg betrat war
man in einer anderen Welt. In einer gefährlicheren Welt, einer dunklen Welt.
Hier hatte Gott keine Macht mehr, hier herrschten andere Götter, wie der Tío
zum Beispiel, ihm musste man Opfer bringen, damit er einen verschonte, hier im
Berg.“ Und da man im Berg in einer anderen Welt ist, besteht dieser Glaube an
den Tío auch heute noch, diese andere Welt unter der Erde.
Man opfert dem Tío (in einem der ersten „Räume“ im Berg ist eine Figur
von ihm) verschiedene Gaben, alle haben eine Bedeutung. Der Tío raucht gerne,
so bekommt er mehrere dicke, selbstgedrehte Zigaretten in den Mund gesteckt,
außerdem bekommt er Alkohol zu trinken. Ein paar Schlucke vor ihm zu Füßen,
auch zu Ehren von „Pachamama“, der Mutter Erde, ein paar Schlucke auf die
Schultern und zuletzt einen Schuss auf den Penis, als Bitte, dass viele Kinder
zur Welt kommen, die dann auch in den Minen arbeiten können. Auch Koka wird um
die Figur herum verstreut. Unsere Guide erzählte uns von der Bedeutung dieser
Gaben für die Bergarbeiter. Und bei ihrem Ton lief mir ein Schauer über den
Rücken.
„Manchmal müssen die Männer sehr weit in den Berg hinein, mehrere
Kilometer und so auch mehrere Stunden. Naja, und wenn sie sich dann dort verletzen,
stellt euch das vor. Wie sollen sie denn da wegkommen, ohne Hilfe? Sie brauchen
den Alkohol und das Koka, das sind ihre Helfer, so schaffen sie es wieder
zurück. Wenn sie zum Beispiel ihr Bein verletzen, dann nehmen sie Koka und
trinken den Alkohol und dann schaffen sie es, auch wenn sie eine halbe Stunde
laufen müssen oder so.“
„Und wisst ihr, was das Koka alles macht? Du kannst mehr arbeiten ohne
so schnell müde zu werden und du bekommst keinen Hunger und kein Durst. Das
brauchen die Männer. Hier gibt es nämlich kein Mittagessen. Die Männer kommen
und arbeiten, so lange wie sie wollen, manchmal acht, zehn, zwölf Stunden und
dann brauchen sie das Koka, weil sie essen ja nichts.“
„Heute hat hier niemand einen Schutz. Alles, was du in den Minen machst
und brauchst, musst du selber finanzieren und bist auch selbst dafür
verantwortlich. Früher war das anders, da gab es Schutz für die Arbeiter vom
Staat, aber heute nicht mehr, der Staat zieht nicht mehr so viel Profit aus dem
Berg, aber die Regierung hat den Leuten erlaubt hier weiterhin abzubauen, auf
eigene Gefahr aber sozusagen. Sie haben keine Sicherheit, die Männer, aber
trotzdem müssen sie in den Minen arbeiten. Hier in Potosí gibt es nichts außer
den Mineralien aus dem Berg, wenn man nicht damit arbeitet, hat man keine
Arbeit. Aber so kommt es – seht ihr den Mann hier mit der Maske? Die ist gegen
den Staub. – dass einige Leute, zum Beispiel Masken haben, aber andere nicht.
Naja, und ohne diese Maske kannst du schnell krank werden, denn der Staub ist nicht
gesund. Aber manche können sich einfach keine Masken kaufen und werden dann
krank.“
Und die Kinder. Wir haben keine gesehen, aber Thema war es trotzdem.
Angefangen schon im VW-Bus zu den Minen, ich unterhielt mich kurz mit der
Guide: „Oh, ihr seid Freiwillige? Cool, das gibt es hier auch, wir haben auch
Freiwillige. Die arbeiten bei den Minen, die sind für die medizinische
Versorgung von unseren Minenkindern verantwortlich. Weil, weißt du, die haben
das ja nicht, es gibt ja keine Sicherheit für die Leute in den Minen, also auch
nicht für die Kinder, und die Freiwilligen kümmern sich dann da rum.“ Später
beim Tío erzählte sie uns noch einige Fakten, wie lange in dem Berg schon
abgebaut wird, wie viele Leute arbeiten. Es waren ein paar Tausend an dem Tag, als
wir da waren. „Ach und da grade Ferien sind, sind auch viele Kinder da. Das ist
gut, dass Ferien sind, dann können sie kommen und ihren Eltern helfen. Aber
viele arbeiten auch einfach so immer mit ihren Vätern hier. Keine Sorge, die
gehen schon auch in die Schule. Sie arbeiten tagsüber und nachts gehen sie dann
in die Schule, da ist extra Unterricht für die Minenkinder.“
Ich war sehr froh, als wir endlich aus den Minen draußen waren. Es war
nicht nur dunkel und eng und niedrig, wir bekamen kaum Luft (wir trugen Masken
wegen des Staubes) und der psychische Druck war auch enorm hoch.
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Casa de Moneda. |
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Am zweiten Tag besuchten wir die „Casa de Moneda“, das Haus in dem die
Münzen aus dem Silber des Cerro Rico hergestellt wurden.
Auch hier genossen wir eine Führung und
erfuhren einige ziemlich interessanten Dinge. Wieder erzählte der Guide sehr
abgedroschen.
In der Casa de Moneda wurde das Silber geschmolzen und verarbeitet,
dann in Platten geformt, die verschmälert wurden und ausgestanzt wurden, und
dann geprägt. Es gab also verschiedene Bereiche, in denen verschieden mehr oder
weniger ausgebildete Männer arbeiteten.
Bei den Öfen zum Beispiel arbeiteten unter anderen afrikanische
Sklaven, die von den Spaniern extra zu diesem Grund aus Afrika hergeschifft
wurden. Oft vertrugen sie aber die Höhe nicht (Potosí liegt auf ein bisschen
mehr als 3000m Höhe) und wurden krank, oder wenn das nicht der Fall war, wurden
sie wegen des Klimaunterschiedes zwischen den Öfen und der Kälte, die draußen
herrschte krank. Viele starben also sehr früh.
In einem anderen Bereich, wo die Silberplatten mit Hilfe von Maschinen
schmaler gepresst wurden, arbeiteten die Leute mit Maultieren. Diese mussten
stundenlang im Kreis laufen um die Maschinen am Laufen zu halten. Am Tag
mussten 42 Maultiere arbeiten, sie wurden in verschiedenen Schichten
ausgewechselt. Da die Arbeit aber sehr hart war und das Klima in den Räumen, in
denen die Maultiere arbeiten mussten und lebten sehr kalt und feucht war,
lebten diese ebenfalls nicht sehr lange. „Nur maximal sechs Monate, dann
brauchte man neue.“
Tja,
und so endete dann relativ abrupt unser Aufenthalt in Potosí, in dem wir nach
der Casa de Moneda ziemlich direkt in eine Flota nach Uyuni gesetzt wurden, wo
wir nach ungefähr sechs Stunden Fahrt ankamen und unsere Reise fortgesetzt
wurde.
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Man durfte übrigens nur mit diesem wunderbaren "Derecho de Fotografia"-Zettel (Fotografie-Recht) fotografieren, für 20 Bolivianos hab ich mir dann man einen gegönnt und war Fotografin unserer Reisegruppe. |