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Samstag, 29. November 2014

La Clausura

Tja, dieses Wort war schon seit einiger Zeit ein Phänomen in jeder Lehrer-„Reunion“ (Konferenz). Zunächst ging es um das Datum, ob Montag, Sonntag oder Freitag, und um die Frage, wie man an „Diplomas“ kommen solle. Das waren anscheinend Auszeichnungen für die Klassenbesten.

Danach ging es um die „Libretas“, die sich irgendwann als Zeugnisse herausstellten. Der Direktor musste irgendwo hin und sie abholen, es gab viele, sie waren besonders, man durfte beim Ausfüllen keine Fehler machen – und zum Ausfüllen wurde ein Tag schulfrei angeordnet.

Form nahm das Ganze in der letzten Schulwoche an. Montags wurde beschlossen, dass die „Clausura“ freitags stattfinden sollte, Mittwoch der letzte Unterrichtstag war, donnerstags schulfrei und der Tag, an dem die Lehrer die „Libretas“ ausfüllen sollten. „Diplomas“ konnten leider nicht aufgetrieben werden, da es in Monteagudo nur zu teure gab und keine Zeit mehr war, nach Sucre oder Serrano zu fahren.

Bis Mittwoch gab es dann also mehr oder weniger Unterricht, die meisten haben Filme geschaut. Im Internat wurde nachmittags aufgeräumt, geputzt, die Wolldecken gewaschen. Dienstags backten wir „Tortas“ (schmeckt wie Kuchen aber wird gemacht wie Brot und ist verziert). Und mittwochs gingen alle Kinder nach Hause.

Doña Leonarda bat mich ihr nachmittags zu helfen, die Klassenzimmer putzen, was ich auch tat. Das Ganze war eigentlich sehr spaßig. Ich dachte, wir würden die Klassenzimmer ausräumen, fegen und feucht wischen. So begann ich auch. Und dann kam Leonarda mit dem Gartenschlauch und ging ins Klassenzimmer. Lief damit herum, spritzte alles ab (so wurden dann auch die Tafeln geputzt), bis im Klassenzimmer das Wasser ungefähr zehn Zentimeter hoch stand. Dann kam sie mit Waschmittel, schüttete davon im Raum verteilt ein paar Häufchen auf den Boden und drückte mir dann einen Besen in die Hand. Wir begannen den Boden zu schrubben. Das Waschmittel zu verteilen, bis das alles einem Schaumbad glich. Die Fenster schrubbten wir auch mit den nun eingeschäumten Besen ab. Und danach versuchten wir mit den Besen das Wasser wieder aus dem Zimmer „herauszuschieben“. Als noch so fünf Zentimeter übrig waren, beschloss Leonarda, das würde von allein trocknen und wir gingen ins nächste Klassenzimmer.

Donnerstags hatte ich nichts zu tun. Ich räumte ein bisschen mein Zimmer auf und suchte mir Arbeit. Half Leonarda und ein paar anderen Frauen, noch mehr Tortas zu backen. Die Lehrer waren damit beschäftigt, die „Libretas“ zu drucken.

Und freitags war der große Tag. Schon morgens wurde gekocht und nach und nach trudelten die Schüler mit ihren Eltern ein. Um 1000 Uhr sollte es losgehen.

Um kurz vor 1000 Uhr begann jedoch erst einmal noch eine Reunion der Lehrer, in der das Programm der Clausura am Nachmittag festgelegt werden sollte. Nach dem dies dann geschehen war, ich es am PC geschrieben hatte und es ausgedruckt war, begann um 1100 Uhr, die für 1000 Uhr vorgesehene Reunion der Communidad, bei der alle Lehrer, Eltern, Autoritäten und sonst auch alle aus der Communidad anwesend sein sollten. Es wurde über das Schuljahr geredet, die Probleme, und die Lehrer wurden beurteilt. Die Reunion begann mit dem einleitenden Satz: „Wir wollen uns alle kurzfassen, wir haben heute viel vor, ich will nicht viel reden, ich hoffe, sie reden auch nicht viel, und wir sind in einer Stunde um 1200 Uhr pünktlich zum Mittagessen fertig.“ – Naja, netter Gedanke. Wir waren um 1330 Uhr ungefähr fertig. Es wurde ein halbe Stunde Pause für das Mittagessen erlaubt und dann gab es eine zweite Reunion, an der ich aber nicht mehr teilnahm. Ich beschäftigte mich derweil mit den Kindern, schoss Fotos und zeigte ihnen Bilder und Videos, die Marie hier in El Villar gemacht hatte, als ich meine Kamera nicht mitgenommen hatte.

Gegen 1600 Uhr (zwei Stunden später, als eigentlich geplant) begann dann die „Clausura“. Es wurden reden gehalten, von Autoritäten aus Karachimayu und von noch höheren Tieren aus El Villar. Der Direktor kam auch nicht zu kurz. Irgendwann begann dann die Verteilung der Preise an die drei Klassenbesten, die nun statt eines Diploms eine Tüte voll Süßigkeiten bekamen. Es wurden Preise verteilt, an Erwachsene, die an einem Bildungsprojekt teilnahmen, in dem Erwachsenen Lesen und Schreiben beigebracht wurde, und danach begann die Fiesta.

Es fing damit an, dass alle Lehrer, Doña Flora (Internats-Tutorin) und Doña Leonarda („Portera“ – Hausmeisterin) Luftschlangen um den Hals, Konfetti auf den Kopf und einen riesigen Teller Reis, Kartoffeln und Fleisch vor die Nase gesetzt bekamen. Dazu jeder Lehrer noch einen Eimer Chicha (dieses hier ja so beliebte Mais-„Bier“, oder auch „der Whisky Boliviens“) und eine der Tortas, die ich mit Doña Leonarda gebacken hatte. Zunächst lief ich noch rum und machte Fotos, aber als das die Konfetti- und Essens-Verteiler merkten, wurde ich sofort zum Tisch geschoben, ein Stuhl geholt, mir eine Girlande um den Hals gehangen, Konfetti auf dem Kopf verteilt und Essen für mich geholt. Ich war ja Teil der Lehrer.




Und als alle Lehrer mehr oder weniger fertig gegessen hatten, oder ihr Essen irgendwo verstaut, standen sie, jeder mit seinem Eimer Chicha bewaffnet auf, und verteilten an die Gäste – „te invito“. Die Stühle wurden umgestellt, sodass alle mehr oder weniger in einem riesigen Kreis auf dem Schulhof saßen. Tja, und so wurde getrunken und geredet bis tief in die Nacht hinein. Es wurde Licht angemacht, Musik gemacht und später, als der Alkoholpegel hoch genug war, wurde auch getanzt (so gern die Leute in Karachimayu auch tanzen, mit Alkohol scheint es ihnen trotzdem immer leichter zu fallen).

Die Kinder? Naja, die waren halt dabei, spielten Fangen, Verstecken, Ball, oder schliefen dann irgendwo ein. Nur die Internatskinder, die einen langen Weg hatten, waren mit ihren Eltern schon direkt nach der Zeugnisvergabe nach Hause gegangen.

Ich ging ziemlich müde schon recht früh ins Bett. Es ist einfach schwer, länger wach zu bleiben, wenn man es gewohnt ist, spätestens um 2030 Uhr zu schlafen.


Die Clausura ist nach meiner Erfahrung also ein ziemlich langer und langweiliger Tag, der abends mit viel Alkohol endet – interessante Zeugnisausgabe.

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